In einer Liegenschaft der reformierten Kirchgemeinde in Zürich wird demnächst eine Herberge für geflüchtete Frauen eröffnet. Getragen wird das Projekt von der Citykirche Offener St. Jakob am Stauffacher, zusammen mit dem unabhängigen Verein Wohngenuss, der für Infrastruktur, Verträge und Mietzinsausfälle verantwortlich zeichnet.
Man gehe davon aus, dass über 90 Prozent der Frauen, die allein auf der Flucht sind, von sexualisierter Gewalt betroffen sind, sagt Monika Golling. «Und für viele geht das in der Schweiz weiter; das ist bekannt.» Die Sozialarbeiterin ist Sozialdiakonin der Citykirche in Zürich. Und sie ist Teil einer Projektgruppe der reformierten Kirche und des Vereins Wohngenuss, die eine neuen Herberge an der Schimmelstrasse in Wiedikon aufbaut – auch für genau diese Frauen. Entstehen soll sie in zwei Wohnungen im Besitz der reformierten Kirchgemeinde.
Rund 425 000 Franken hat das Kirchgemeindeparlament kürzlich zugunsten des Projekts gesprochen. Ein grosser Teil davon entfällt auf eine im Rahmen des Projekts neu geschaffene Stelle für eine Sozialarbeiterin. Noch ist viel zu tun: Wenn alles klappt, startet der Betrieb schon ab Januar 2020. Bis jetzt wurden die beiden Wohnungen als Krankenstation für alte und betagte Menschen genutzt. Als sie frei wurden, habe das Team der Citykirche schnell beschlossen, die Räume für ein soziales Projekt zugunsten von Geflüchteten nutzen zu wollen, sagt Monika Golling. «Dann ging alles los.»
Herberge für geflüchtete Frauen an der SchimmelstrasseSeit mehreren Jahren organisiert die Citykirche einen wöchentlich stattfindenden Mittagstisch für Geflüchtete. Mehr als 200 Personen nehmen jeweils daran teil. Darunter viele Frauen. Vor allem weil es beim Mittagstisch eine Kinderbetreuung gebe, sagt die Sozialarbeiterin. «Im Gespräch mit diesen Frauen wird deutlich, dass sie in der Schweiz immer noch strukturell benachteiligt werden und sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind.» Als Beispiel nennt sie eine Frau mit Status F, also mit «vorläufiger Aufnahme», der von ihrer Gemeinde kein Deutschkurs ermöglicht wird – weil sie ja auf ihre Kinder aufpassen müsse. Auf Grundlage solcher Erfahrungen hat Monika Golling gemeinsam mit den übrigen Beteiligten entschieden, die Räumlichkeiten in Wiedikon für die Unterbringung und Unterstützung von Frauen und ihren Kindern zu nutzen. Um das Projekt umzusetzen, arbeitet die Citykirche mit dem Verein Wohngenuss zusammen, dessen Mitglieder ehrenamtlich Geflüchtete dabei unterstützen, geeigneten Wohnraum zu finden.
Übergangslösung für Frauen
Die Herberge in Zürich-Wiedikon soll als eine Art «Sprungbrett» dienen, sagt Christine Burgener vom Verein Wohngenuss. «Geplant ist keine dauerhafte Unterkunft, sondern eine Übergangslösung.» Die Frauen sollen hier in Ruhe Pläne für die Zukunft schmieden können. Dazu gehöre bei Bedarf etwa die Stellensuche oder die Suche nach einer dauerhafteren Wohnlösung. Oft würden solche Stellen- und Wohnungsbewerbungen auch daran scheitern, dass die betroffenen Personen keine richtige Meldeadresse haben. Dieses Problem werden die Frauen, die in der Herberge wohnen werden, nicht haben. Um sie bei ihren Bemühungen zu unterstützen, wird eine Sozialarbeiterin eingestellt. «Nicht als Aufpasserin, sondern als Begleiterin», sagt Christine Burgener.
Einzigartiges Projekt für Zürich
Ein solches Projekt gebe es in Zürich bis jetzt noch gar nicht, so Christine Burgener. Auch weil die Herberge im Vergleich zu anderen Projekten eher ressourcenintensiv sei. Die reformierte Kirchgemeinde Zürich springt hier in die Bresche: Mit ihren Liegenschaften, der stark ausgebauten Sozialdiakonie, den zahlreichen engagierten Mitgliedern der Kirchgemeinde und ihrer Zusammenarbeit mit dem Verein Wohngenuss hat sie die Möglichkeit, auch solche grössere Projekte zu stemmen. Eine Möglichkeit, die im Kirchenkreis vier fünf sowie in vielen weiteren Kirchenkreisen immer wieder genutzt wird. Monika Golling: «Wir sehen uns in der Verantwortung, daran mitzuwirken, dass in der Schweiz eine andere Flüchtlingspolitik möglich wird.»
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