Osterfeuer - Leuchttürme der Hoffnung
von Pfr. Jürg Baumgartner
Grosse offene Feuer und Feuerrituale sind uns heute vor allem in einigen Fastnachtstraditionen gegenwärtig, nicht zuletzt in der Tradition der Verbrennung des Böögs am Zürcher Sechseläuten, aber auch in der Tradition des Chienbäse-Umzugs in Liestal. Dass es dabei um die Vertreibung der letzten Winter-Geister ging und um die Reinigung von allen dunklen Ausschweifungen, also um eine Transformation von "Schattendasein und Einsperrung" in "helle Lebensfreude und Zukunftshoffnung", liegt auf der Hand. Im Montafon habe ich selbst vor etlichen Jahren erlebt, wie ein 25 Meter hoch geschichteter Turm aus fachgerecht aufgeschichteten 2- 3 Meter langen Kantholzbalken in Brand gesetzt wurde während der Faschingszeit. Es war ein grosses Spektakel, verbunden mit einem leisen Schauer, was denn passieren würde, wenn der Turm nicht wie vorgesehen in sich selbst zusammenstürzen würde, sondern auf eine Seite hin kippen täte. Zum Glück geschah nichts Derartiges. Aber die Spannung unter den sehr zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern war spürbar. So ein Feuer hat grosses zerstörerisches Potential, seine Leuchtkraft bringt vieles ans Licht, und seine Hitze lässt niemanden kalt. Eine Urkraft ist da sozusagen am Werk, die durch das Verbrennen von Material auch den Boden bereiten kann für neue Fruchtbarkeit, für neues Wachstum.
Im Laufe der Christianisierung Europas, also über viele Jahrhunderte hinweg, fand eine Vermischung vorchristlicher Feuerrituale mit christlichen Gebräuchen statt, und so wurde das Osterfeuer schliesslich Teil der christlichen Ostertradition. Es symbolisiert, mitten in der Nacht entzündet, das Licht unseres Glaubens, den auferweckten Christus, die bald aufleuchtende Sonne unserer Liebe. Osterfeuer haben in vielen Pfarreien und Kirchgemeinden eine lange Tradition. Sie werden meistens am Karsamstagabend vor dem Beginn der Osternachtfeier oder am frühen Ostersonntagmorgen vor Beginn des ersten Ostergottesdienstes angefacht. Die Gemeinde versammelt sich dann um das Feuer, und an diesem Osterfeuer wird auch die neue Osterkerze angezündet, die dann feierlich in die Kirche getragen wird.
In unserem Kirchenkreis zwei gibt es meines Wissens keine solche reformierte Tradition, auch von den Feiern der Osternacht oder des frühen Ostermorgens ist mir nichts bekannt. Im Zusammenhang mit den Massnahmen gegen die Pandemie wäre es am Karsamstag auch nicht angebracht, ein grosses loderndes Feuer zu entzünden und damit Menschen anzulocken, die durch den Schein, das Knistern oder die Wärme ganz bestimmt in grosser Zahl herbeikommen würden, zumal in diesem Jahr nur die wenigsten in die Osterferien verreisen dürften. Nichts desto trotz ist es uns ein grosses Anliegen, die Hoffnungsbotschaft von Ostern auch augenscheinlich und sichtbar aufleuchten zu lassen und in die "Welt" zu bringen:
Das Leben und die Liebe zum Leben werden neu erstehen und erstarken, und sie werden Krankheit, Sterben und Tod überwinden und verwandeln.
Darum werden in Nacht vom Karsamstag auf den Ostersonntag die Kirchtürme der Kirche Enge, Kirche Leimbach und der Kirche auf der Egg ausgeleuchtet und die ganze Nacht hindurch leuchten. Und ebenso strahlt die Kuppel der Kirche Enge diese Botschaft der Hoffnung aus!
Frohe Ostern! Christus lebt.
Blog-Beitrag [202] vom
Ostermittwoch,
dem 15. April 2020
von Pfarrer Jürg Baumgartner