Ein weiser Pfarrer hat sie Wegwerfprodukte genannt. Und Rhetorikerinnen betonen, dass sie Reden und keine Schreiben seien. Predigten sind Sprechakte, und was hier ins Netz gestellt wird, sind Manuskripte, nicht mehr. Wenn sie als solche indessen ein Gemeindeglied in den Ferien am fernen Strand an zuhause erinnern oder einen im Schreibstau im Internet surfenden Kollegen zur nächsten Zeile inspirieren, dann – ja, was will man dann mehr?
Zu einem guten Prediger, sagt Martin Luther, gehören „drei Stücke“: 1. dass er „auftrete“, 2. dass er „das Maul auftue und etwas sage“, und 3. dass er „auch könne aufhören“. Jesus in seiner Bergpredigt ist all diesen Anforderungen gewachsen:
1. Die Inszenierung zu Beginn („Als er die vielen Menschen sah, stieg er auf den Berg“) macht den Anspruch seines Auftritts deutlich: Einst bestieg Mose „den Berg“, um die Gebote Gottes in Empfang zu nehmen. Nun stellt sich Jesus auf den symbolträchtigen Gipfel und hält jenen Geboten seine „Antithesen“ entgegen: „Ihr habt gehört, dass gesagt wurde… Ich aber sage euch…“
2. Was er sagt, ist von gewaltiger rhetorischer Kraft. Auch wem der Inhalte der Rede unbekannt ist, kennt doch die geflügelten Worte: Das Licht unter dem Scheffel; die Linke, die nicht weiss, was die Rechte tut; der Balken im Auge; vor die Säue geworfene Perlen; der Wolf im Schafspelz – all diese Wendungen entstammen der Bergpredigt.
3. Auch Luthers drittem Kriterium weiss Jesus zu genügen: Die „Rede der Reden“, wie die Bergpredigt zurecht genannt wird, ist nicht lang. Drei knappe Kapitel umfasst sie, sechs bescheidene Seiten in der Zürcher Bibel. Umso mehr lohnt es sich, lange über sie nachzudenken – darüber, dass Arme und Trauernde selig sein sollen; dass wir keine Schätze auf Erden anhäufen und nicht zwei Herren dienen, unsere Feinde lieben und die andere Backe hinhalten sollen; über das „Unser Vater“, das ebenso dieser Rede entstammt wie die „Goldene Regel“, die sich in variierter Form in vielen Religionen findet: „Wie immer ihr wollt, dass die Leute euch tun, so tut auch ihnen!“
Andreas Fischer
Ein weiser Pfarrer hat sie Wegwerfprodukte genannt. Und Rhetorikerinnen betonen, dass sie Reden und keine Schreiben seien. Predigten sind Sprechakte, und was hier ins Netz gestellt wird, sind Manuskripte, nicht mehr. Wenn sie als solche indessen ein Gemeindeglied in den Ferien am fernen Strand an zuhause erinnern oder einen im Schreibstau im Internet surfenden Kollegen zur nächsten Zeile inspirieren, dann – ja, was will man dann mehr?